Das Herdentier

Woran liegt es? An den großen, ausdrucksstarken Augen? Oder an dem dichten, lockigen Fell auf dem Kopf? Man möchte ihn kraulen. Nein, nicht Willi Tölle, den Hüter der Galloway-Rinder auf dem Bilster Berg. Obwohl der ein ebenso eindrucksvolles Original ist.

Dass er Ahnung hat, merkt man sofort. Flüssig gehen Willi Tölle Begriffe aus Landwirtschaft und Zucht über die Lippen. Dabei lässt der 61-Jährige es eigentlich gern ruhig angehen. Wie er so dasteht in seinem grünen Overall und den Gummistiefeln, zwischen einer Horde Rindern: Er passt ins Bild. Obwohl er eigentlich gar nicht ins Bild des Bilster Berg Resorts passt. Seine Hosenträger am Overall sind verdreht? Die Fingernägel tragen leichte schwarze Ränder? – Na und? Willi Tölle ist Bauer! Und das mit Leib und Seele. Im Juni 2012 kam er zum Bilster Berg, ins Team Technik. Allerdings mit einer Sonderfunktion: Klar ist er dabei, wenn auf der Strecke Leitplanken ausgewechselt oder Kiesbetten rumgeschleppt werden. Vor allem aber ist Willi Tölle für die 18 Galloway-Rinder auf der Anlage zuständig. Der gebürtige Nieheimer ist von Haus aus Landwirt. 1972 übernahm er den Hof seines Vaters, den er neben seiner Arbeit auf dem Berg bestellt. 20 Hektar hat er zu bewirtschaften. „Früher hatten wir auch Milchkühe“, sagt Tölle. „Heute habe ich nur fünf bis acht Limousin-Rinder oder Kreuzungen, die mir das Gras frisch halten und nach spätestens 28 Monaten zum Metzger kommen.“ Doch die Galloways mit dem markanten Kopf und dem lockigen Fell haben es ihm besonders angetan. Die Rinderrasse stammt aus dem Südwesten Schottlands. Deshalb können Galloways auch das ganze Jahr über im Freien stehen. „Durch ihr dickes und doppelschichtiges Fell sind sie selbst bei Frost gut geschützt“, sagt Tölle. Manchmal werde er gefragt, ob es nicht Tierquälerei sei, die Rinder auch bei extremen Wetterverhältnissen draußen zu lassen. „Doch die fühlen sich auf der Weide einfach am wohlsten.“ 46 Hektar stehen den neun Kälbchen und neun ausgewachsenen Rindern auf dem Bilster Berg zur Verfügung. Im Sommer wird Tölle ein paar Flächen abmähen und aus dem Gras Silorundballen herstellen. „Als Futter für den Winter“, sagt der Landwirt. Das Mähen, Wenden und Schwaden will dabei gelernt sein, jeder Prozessabschnitt ist entscheidend für die spätere Silagequalität. Tölle kennt sich aus mit den Maschinen, ihrem Feintuning und Tücken wie der richtigen Schnittlänge oder dem Trocknungsgrad. Für den letzten Schritt holt er sich Hilfe bei seinem Nachbarn, ebenfalls Landwirt, der eine Silopresse besitzt. Gemeinsam mit ihm füllt er die Futtermasse in Siloschläuche. Die Ballen fährt er mit seinem Traktor in die Stallungen auf dem Bilster Berg.

Der Rinderflüsterer
Tölle öffnet das Tor zu den Ställen. Hier werden jedes Jahr ab Mitte März die Rinder eingesperrt, denn „dann ist die Zeit zum Kalben“. Etwa sechs Wochen lasse er die Rinder im Stall, Anfang Mai wieder auf die Weide. „Ab Juni stelle ich ihnen den Rindern einen Bullen bei, der die Mutterherde decken soll.“ Ausmisten sei ansonsten seine Aufgabe, einstreuen, umzäunen. Vor allem aber ist Tölle der Hüter der Galloways. Jeden Tag schaut er nach den Tieren, zählt durch, ob noch alle 18 da sind. Manchmal entwischt schon Mal ein Kälbchen unter dem Stacheldrahtzaun. „Dann gehe ich auf die Suche, um den Ausreißer wieder einzufangen.“ Er sagt das sehr pragmatisch, aber irgendwie auch liebevoll. Bisher hat Willi Tölle alle Kälbchen zurückbringen können. Er hält die Herde zusammen.

Text: Nicole Thesen (Zimmermann Editorial)

Foto: Patrick Meise

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