Ein kurzes Fachgesimpel über Rennsport, den BILSTER BERG und den Faktor Fitness – mit Weltklasse-Skifahrerin Lisa Agerer

Neulich zu Besuch am BILSTER BERG: Die Südtiroler Riesenslalom-Spezialistin Lisa Agerer – Spitzensportlerin des alpinen Weltcupzirkus. Der tempoerfahrenen Rennsportlerin bereitete ihr Debut auf asphaltierter Piste sichtlich Vergnügen. Wir haben die Gelegenheit genutzt, um mit Lisa Agerer über Rennsport und den Faktor Fitness zu fachsimpeln.

Als aktive Athletin im alpinen Skiweltcup sind Sie natürlich an hohe Geschwindigkeiten und schnelle Kurven gewöhnt. Wie groß war der persönliche Nervenkitzel bei Ihrem ersten Besuch auf dem BILSTER BERG – stellt die hohe Geschwindigkeit in einem Rennwagen für Sie überhaupt eine Herausforderung dar?

Es wäre gelogen zu sagen, dass das Rennfahren auf Asphalt keine Herausforderung darstellt. Eine gewisse Ähnlichkeit mit dem Skirennfahren ist auch zweifellos vorhanden, aber viele Abläufe auf vier Rädern habe ich natürlich längst nicht so verinnerlicht und automatisiert, wie das auf zwei Brettern der Fall ist. Ans Limit zu gehen bringt immer Nervenkitzel mit sich – egal welche Sportart.

Sehen Sie nach Ihren ersten schnellen Runden auf dem BILSTER BERG auch die eine oder andere Parallele zwischen Skirennen und der Jagd über die Rennstrecke in einem Rennwagen?

Auf jeden Fall. Die hohen Geschwindigkeiten in den Kurven und auf den Geraden wurden ja bereits angesprochen. Hinzu kommen viele Gemeinsamkeiten – insbesondere die Linienwahl und die Möglichkeiten zur Beschleunigung. Ich denke hierbei vor allem an die Einlenkpunkte im Kurveneingang und die möglichst frühe Beschleunigung im Kurvenausgang. Sehr viel Intuition, das Vertrauen in die eigenen Fähigkeiten und in das Material spielen hier eine wichtige Rolle. Auch die psychische Komponente unterscheidet sich kaum vom Skirennlauf: Hundertprozentige Konzentration in jedem Augenblick, sehr viel Mut und ein gesundes Maß an Verrücktheit sind so etwas wie die Grundvoraussetzungen, um schneller zu Fahren als andere – sei es auf Schnee oder Asphalt.

Dank seiner speziellen Topographie gilt der BILSTER BERG als eine sehr facettenreiche und anspruchsvolle Strecke. Erkennen Sie Ähnlichkeiten zu alpinen Rennstrecken beziehungsweise zu Pisten, auf denen die Speed-Disziplinen Abfahrt und Super-G gefahren werden?
Auch im alpinen Skiweltcup haben jede Strecke, jeder Hang und jeder Berg ihre speziellen Eigenheiten und Besonderheiten. In meinen Augen lässt sich der BILSTER BERG ziemlich gut mit der Weltcup-Abfahrt in St. Anton vergleichen: Nicht unbedingt eine Highspeed-Abfahrt – aber eine, auf der es auch nicht an Tücken mangelt. Viele Geländeübergänge, blinde Kurven und eine abwechslungsreiche Streckenführung, bei der sich Gleitpassagen mit einigen richtig engen Kurven abwechseln, charakterisieren diese Strecke. Die größte Ähnlichkeit sehe ich persönlich im berühmt-berüchtigten Eisfall – eine der Schlüsselstellen der Abfahrt von St. Anton. Genau wie bei der Mausefalle am BILSTER BERG sticht man einen sehr steilen Hang hinab, bevor man in eine Kompression gedrückt wird und gleich darauf eine scharfe Kurve bei hohem Tempo bewältigen muss.

Lässt sich das Fahrgefühl auf Ski und auf vier Rädern irgendwie vergleichen?

Na klar. Die Kompressionen, die Fliehkräfte in den Kurven, die Beschleunigung und natürlich das Adrenalin – das alles ist im Skirennsport ähnlich.

Welche Bedeutung hat für Sie der Faktor Fitness – neben anderen Faktoren, wie etwa Fahrgefühl, Technik und Mut? Wie wichtig ist die Psyche des Rennfahrers?

Da sich jeder Profi mittlerweile am Limit bewegt, ist die Fitness natürlich eine ausschlaggebende Komponente. Bei uns Skirennfahrern wird das Athletiktraining in der Saisonvorbereitung genauestens geplant, überwacht und bewertet. Verletzungsprophylaxe ist da nur eines der Stichworte. Wenn du fit bist, bringt das weitere Vorteile mit sich. Du fühlst dich sicherer, bist mutiger und zu mehr Risiko bereit. Ich würde daher eher von der Bedeutung der körperlichen Fitness für die Psyche sprechen.

Denken Sie nach ihren heutigen Erfahrungen, dass die körperliche Fitness des Rennfahrers im Motorsport einen ebenso hohen Stellenwert einnimmt wie in anderen Rennsportarten?

Definitiv. Ich habe ja heute am eigenen Leib erfahren, wie anstrengend das ist!

Erscheint Ihnen der BILSTER BERG als eine Strecke, die den Fahrer aufgrund der zahlreichen abwechslungsreichen Passagen physisch besonders stark fordert und sich daher auch besonders gut zur Verbesserung der Fitness eignet?

Ein Perfektionstraining auf Asphalt, wie ich es heute absolvieren durfte, eignet sich auch für Skirennfahrer in der Vorbereitungsphase jederzeit als gute Trainingseinheit für Zwischendurch. Speziell für Autorennfahrer ist die Strecke am BILSTER BERG hervorragend prädestiniert, um die körperliche Fitness und Ausdauer zu schulen.

Könnte der Motorsport als Ersatzdroge für ehemalige Skirennläuferinnen taugen?

Ein klares Ja! Dieser Adrenalinkick in Kombination mit der notwendigen Konzentration, der Überwindung, aber auch der Taktik und dem fahrtechnischen Können sind alles Kernelemente des Rennsports. Einem Skirennläufer würden diese Aspekte immer wieder leuchtende Augen bereiten. Umso mehr noch unter so professionell gesicherten Verhältnissen, wie wir sie hier vorfinden. Im Rennsport bleibt trotz aller Vorsichtsmaßnahmen immer noch genügend Restrisiko übrig – der entsprechende Nervenkitzel schwingt also auch hier immer mit.

(Redaktion/Fotos: ramp.space)

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